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Kinderbilder im Internet: Weit gefährlicher, als Eltern ahnen

GefahrenProblematikDarauf solltest du achten

Das Kind plantscht am Strand, schläft in der Hängematte oder klettert auf dem Spielplatz? Schnell ein Schnappschuss – und ab damit ins Netz, um ihn mit anderen Menschen zu teilen. Was den meisten Eltern ganz normal erscheint, ist gefährlich: Kinderbilder werden im Netz missbraucht und können Kindern im weiteren Verlauf ihres Lebens erheblich schaden. Wie Eltern diesen Gefahren vorbeugen können, erklärt Regula Bernhard Hug, Leiterin der Geschäftsstelle der Stiftung Kinderschutz Schweiz.

Ein Vater macht am Strand ein Selfie mit seinem Kind.
Die Sozialen Medien sind keine gute Wahl, um die schönsten Momente mit den Kindern zu teilen.  © Jovanmandic / iStock / Getty Images Plus

Die Freude am Kind ist gross, vor allem dann, wenn es gerade besonders süss ausschaut, fasziniert spielt und Neues entdeckt. Dann wollen Eltern ihre Liebsten gern teilhaben lassen – die Grossis, andere Verwandte und Freunde. Schnell ein Foto zu machen, um es auf den Sozialen Medien zu teilen, ist eine beliebte Strategie. Sharenting wird sie genannt – ein Begriff, der sich aus den englischen Wörtern «share» (teilen) und «parenting» (erziehen) ableitet. Die Stiftung Kinderschutz Schweiz warnt davor. «Die meisten Menschen kennen die Dimensionen der Gefahren nicht,» sagt Regula Bernhard Hug, Leiterin der Geschäftsstelle.

Zur Person: Regula Bernhard Hug

Portraitfoto von Regula Bernhard Hug, Geschäftsleiterin Kinderschutz Schweiz.
© Regula Bernhard Hug

Regula Bernhard Hug ist Leiterin der Geschäftsstelle von Kinderschutz Schweiz und setzt sich für die Rechte und das Wohl von Kindern ein.

Gefahren, wenn Fotos der Kinder online gezeigt werden

Mehr als ein Drittel der weiblichen Teenager sorgen sich um die Sicherheit ihrer Daten im Internet. Dies ergab die James-Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften im Jahr 2022. Ihre Sorgen sind nicht unbegründet.    

Sexuelle Gewalt gegenüber Kindern (Kinderpornografie)

Kriminelle sammeln Kinderbilder auf Sozialen Medien, um sie im Dark Net Personen mit sexuellem Interesse an Kindern zugänglich zu machen. «Gängig sind auch scheinbar harmlose Alltagsbilder von Kindern – denn auch sie können für sexuelle Fantasien missbraucht werden», stellt Regula Bernhard Hug fest.

Künstliche Intelligenz

Künstliche Intelligenz verschärft dieses Problem, denn sie kann Bilder manipulieren. «Bereits eine Gesichts-Aufnahme reicht, um das Kind in jeder erdenklichen Pose zu zeigen – zum Beispiel in sexuellem Kontext mit einer erwachsenen Person», warnt die Leiterin der Geschäftsstelle Kinderschutz Schweiz. «Sogar das Alter lässt sich auf Kundenwunsch anpassen.» Dass Fake-Fotos auch zum Erpressungsmaterial werden können, macht das Deepfake-Video «Eine Nachricht für Ella» deutlich, das zu der Aufklärungskampagne #ShareWithCare der Deutschen Telekom gehört.

Mobbing

Das Kind wurde in peinlichen Situationen fotografiert – wie es fällt, wie es weint, wie es sein Eis fallen lässt, wie es ungewöhnliche Kleidung trägt? Solche Bilder werden leicht zum Anlass zum Mobbing, wenn sie im Netz kursieren.

Bewerbungsnachteil

Jugendliche erleben weitere Gefahren durch persönliche Bilder im Netz. Fotos von wilden Partys oder von der Teilnahme an einer Demonstration, deren politische Haltung die Unternehmensspitze nicht teilt, können durchaus zu einer Job-Absage führen. «Dieser Effekt kann mit Gesichterkennungsprogrammen noch weiter verstärkt werden», berichtet Regula Bernhard Hug.

Darum ist es nicht okay, seine Kinder im Netz zu zeigen

Wegen der vielen Gefahren beim Teilen der Kinderfotos sind Eltern aufgerufen, vorsichtig mit den Bildern ihres Kindes umzugehen. Das Recht am Bild liegt bei dem, den es zeigt – also beim Kind. Dennoch ist es Eltern erlaubt, die Fotos ihres Kindes ins Netz stellen, weil sie die Sorgeberechtigung haben.

«Sobald das Kind älter wird, müssen die Eltern allerdings um Erlaubnis fragen», erklärt Regula Bernhard Hug. «Doch was nützt es?», fügt sie hinzu. «Wenn die Eltern für das Problem nicht sensibilisiert sind, ist es das Kind oft auch nicht. Schliesslich lernen Kinder durch Schauen und Nachahmen.» Deshalb sollten Eltern ihren Kindern im Umgang mit Fotos mit gutem Beispiel vorangehen.

Überlegt zu handeln, ist auch wichtig, wenn es um Klassenfotos und Vereinsfotos geht, die von den Schulen oder Vereinen veröffentlicht werden. Regula Bernhard Hug sagt dazu: «Je nach Alter muss auch hier der Entscheid mit dem Kind direkt besprochen werden. Dabei müssen die Eltern auch die Risiken aufzeigen.» Eltern sollten nur dann ihr Einverständnis zur Veröffentlichung von Gruppenfotos und Einzelfotos im Netz geben, wenn:

  • die Gesichter der Kinder nicht zu erkennen sind
  • das Bild nicht mit persönlichen Daten wie dem Geburtstag oder Namen versehen wird

Sowohl für Schulen wie auch Vereine gibt es eine einfache Möglichkeit, die Privatsphären der Kinder zu schützen. Beispielsweise kann der Zugang zu den Bildern beschränkt werden.

Wenn auf Social Media die eigenen Kinder vermarktet werden

Nicht nur Influencerinnen und Influencer, oft auch ihre Kinder, verbringen ihr Leben öffentlich im Internet. Doch Eltern missachten die Persönlichkeitsrechte ihrer Kinder, wenn sie Kinderbilder nutzen, um den eigenen Kanal populärer zu machen. Wer solche Kindervermarktung verhindern will, entfolgt diesen Accounts am besten.

Darauf sollten Eltern beim Posten von Kinderbildern achten

Viele Eltern veröffentlichen Fotos ihrer Kinder in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Instagram und verdecken dabei die Gesichter mit Emojis, um deren Privatsphäre zu schützen. Moderne Software kann diese Emojis jedoch oft problemlos entfernen, besonders wenn sie direkt auf der Social-Media-Plattform hinzugefügt wurden.  Die Risiken minimieren können Eltern, wenn sie achtsam mit den Bildern ihrer Kinder umgehen. Diese Tipps helfen dabei:

Auf sicherer Plattform teilen

Bilder in einem verschlüsselten Raum zu teilen, ist sicher besser, als sie auf eine unverschlüsselte Seite zu stellen. Doch auch hier bleibt das Risiko des Fotomissbrauchs bestehen. «Rechtliche Zusagen der Betreibenden von Internetplattformen sind in den AGBs festgehalten und teilweise nicht eindeutig oder widersprechen sich», sagt Regula Bernhard Hug. Eine umfassende Garantie auf das Löschen von Bildern nach einem gewissen Zeitraum könne heute niemand mehr zusichern.

Perspektive des Kindes einnehmen

Geschieht es zum Wohle des Kindes? «Sich diese Frage zu stellen, ist ausserordentlich wichtig, bevor ein Kinderbild gepostet wird», betont Regula Bernhard Hug. So wird das Wohl des Kindes zum wichtigsten Kriterium – ganz im Sinne der UNO-Kinderrechtskonvention, die das Recht auf Wahrung des Kindeswohls zu einem ihrer Grundprinzipien gemacht hat.

Kind unkenntlich abbilden

Kinder müssen bei uns in der Gesellschaft sichtbar sein. Die Frage ist also immer: Wie stelle ich Kinder im Internet dar? «Sie können von hinten oder der Seite gezeigt werden zeigt, so dass das Gesicht nicht erkennbar und die Privatsphäre geschützt ist», darauf weist Kinderschutz Schweiz hin. 

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